Es flimmert in deutschen Kinderzimmern: Laut der KIM-Studie 2022 nutzen Kinder Tablet, Smartphone und Fernseher immer länger. Und mit zunehmendem Alter steigt die Zahl der Kinder, die Zugriff auf das Internet haben. Auf der anderen Seite sind es nur wenig Eltern, die technische Möglichkeiten zum Jugendschutz nutzen. Und das alles hat Einfluss auf die Gesundheit der Kinder. Mit diesen Folgen kennt sich Univ.-Prof. Dr. David Martin, Facharzt für Kinder und Jugendmedizin und Mitbegründer von www.medienfasten.org und www.bildschirmfrei-bis-3.de. Vor allem aber hat er gute Tipps für Eltern, wie sie ihre Kinder in der Mediennutzung gut begleiten und unterstützen können.

Herr Dr. Martin, wie sieht es aktuell mit der Mediennutzung in Deutschland aus? Welche Kanäle nutzen Kinder wie lange?

Prof. Dr. David Martin (DM): Eine aktuelle Studie zeigt, dass bei Kindern zwischen sechs und 13 Jahren der Fernseher mit durchschnittlich 67 Nutzungsminuten täglich das Top-Medium ist. Darauf folgen das Internet mit 43 Minuten am Tag und die Streaming Dienste mit 31 Minuten pro Tag und. Je älter die Kinder werden, desto mehr Zeit verbringen sie im Internet.

Welche körperlichen Folgen zeichnen sich ab?

DM: Die Liste der körperlichen Folgen ist lang. Sie reicht vom Bewegungsmangel und einem schlechten Ernährungsverhalten bis hin zu Adipositas, Diabetes mellitus und metabolischem Syndrom. Dazu kommen Augenbeschwerden, Kopfschmerzen, Schlafstörung und Schlafmangel und muskuloskelettale Komorbidität.
Auch seelische Belastungen können auftreten, wenn Kinder im Internet auf Themen stoßen, die ihnen unangenehm sind, zum Beispiel sexualisierte Inhalte. Oder sie sehen Inhalte, die ihnen Angst machen, wie Horror- und Gewaltdarstellungen. Laut der Cyberlife Studie haben 13% der befragten Schüler:innen schon einmal Cybermobbing erlebt – auch das macht seelisch krank. Wir sehen insgesamt, dass ein hoher, unbegleiteter Medienkonsum Einfluss auf die Verhaltensweisen von Kindern hat. Auffällig sind beispielsweise ein aggressives Sozialverhalten, Aufmerksamkeitsdefizite, verminderter Kontakt zu Gleichaltrigen bis hin zu fehlender oder mangelhafter sozialer Integration. Auch ein negatives Körperbild ist durch die vielen „Vorbilder“ bei etwa Instagram oder TikTok nicht selten.

Wie können Eltern ihre Kinder gut begleiten?

DM: Da gibt es viele Ebenen, die gut ineinandergreifen. Zum einen müssen sich Eltern ihrer Vorbildfunktion bewusst sein und ihren Kindern deutlich zeigen, dass Medien nur einen Teil des Lebens ausmachen. Das Leben außerhalb der Medien, also Sport, Hobbys, Freunde, Natur – all das muss vorgelebt werden.
Sinnvoll ist außerdem, dass, gerade zum Anfang und in jungen Jahren, Eltern und Kinder Medien gemeinsam nutzen und Inhalte besprechen. Gerade positive Dinge, wie die Möglichkeit mit Menschen in Kontakt zu sein, die weit weg leben, oder Informationen zu suchen oder Rezepte nachlesen und nachkochen, können Eltern hervorheben. Dabei geht es darum, Kindern einen achtsamen Umgang mit Medien beizubringen. Das bedeutet auch, mit ihnen über Risiken und Gefahren zu sprechen. Im besten Fall schaffen Eltern es, ihrem Kind das Gefühl zu geben, offen über negative Erfahrungen im Internet sprechen zu können.
Auf der anderen Seite gibt es aber auch die Möglichkeit, feste Regeln zu vereinbaren: zum Beispiel Medien dürfen nur im Wohnzimmer genutzt werden (nicht im Kinderzimmer) oder nur zu einer bestimmten Zeit (keine Dauerberieselung) und nicht während den Mahlzeiten. Es gibt Apps, mit denen Eltern den Internetzugang der Geräte der Kinder regulieren oder aber auch Websites / Apps usw. sperren können, wenn diese noch nicht für das jeweilige Alter gedacht oder datenschutztechnisch vielleicht fraglich sind. Eltern sollten das aber mit ihren Kindern – ab einem gewissen Alter natürlich – besprechen. Heimliche Überwachung der Kinder bei ihren Streifzügen durch das Internet sind nur eingeschränkt empfehlenswert, denn das schafft kein vertrauensvolles Miteinander. Und das ist unbedingt wichtig.

Vielen Dank!

 

Lesetipps und weiterführende Links:

Was schauen meine Kinder da eigentlich? Flimmo gibt Einschätzungen über Bewegtbildinhalte – seien es nun Filme und Serien oder aber auch YouTube-Inhalte: www.flimmo.de

Wo gibt es gute Tipps zur Medienerziehung? Bei » Kindergesundheit-info, » bildschrimfrei-bis-3 und auf » medienfasten.org finden Eltern viel Antworten.

Bei der Nutzung von digitalen Angeboten hinterlassen die Nutzer häufig private Daten und Bilder. Viele Kampagnen, Workshops und Initiativen versuchen darüber aufzuklären und bieten Unterstützung. Hier einige Beispiele:

David Martin 2021über Univ.-Prof. Dr. David Martin

Univ.-Prof. Dr. David Martin ist Facharzt für Pädiatrie, Pädiatrische Hämatologie und Onkologie, Diabetologie und Endokrinologie. Zurzeit ist der Oberarzt an der anthroposophischen Filderklinik bei Stuttgart. Außerdem ist er Inhaber des Lehrstuhls für Medizintheorie, Integrative und Anthroposophische Medizin an der Universität Witten/Herdecke und Leiter des dortigen Instituts für Integrative Medizin.